Article published 1 April 1940 in the German army magazine Signal about the jewish banker and art collector Dr Fritz Mannheimer in Amsterdam.

(The word document shown just below here was scanned from the original German text, 1940, as present in the Royal Library, The Hague. For those who do not master the German language, I had the Word file translated. Google Translate may be helpful.)

Same text in a Word file for downloading: Signaal article2

Another Nasty Time Magazine article, published 1939.

Updated better web site at www.johannesvermeer.info

Drs Kees Kaldenbach, Amsterdam.
kalden@xs4all.nl

Below is the full text of a 2-page article + a cartoon on the Amsterdam international banker Dr. Fritz Mannheimer (1890-1939), published in Signaal (or Signal - the glossy, extremely well printed German Wehrmacht Army Magazine).
http://en.wikipedia.org/wiki/Signal_(magazine)

More on the French minister of Finance:
http://en.wikipedia.org/wiki/Paul_Reynaud

Publishing date: although the article header states August 1939 it was printed April 1, 1940, about six weeks before the German attack on Western Europe. It presents a German view of the Mannheimer affair, including his questionable high finance machinery, which hit the newspaper headlines when Mannheimer suddenly died in Vaucresson near Paris, France, on 9 August 1939, perhaps of heart failure, after his private bank went bankrupt. See my main article in the Menu..

 

This story is strong on ridiculing and bashing international high finance circles and criticizes armament loans. It is not overtly anti-semitic. All of the “quotes” are fabricated by the German author. My research shows that that German author had access to unique facts. The name Gerigk + Signal does not show up further results on google.

 

See the Online Menu of related Mannheimer articles by Kaldenbach.

 



Full text:


ZWISCHEN DEN FRONTEN

BERICHTE AUS DEM NEUTRALEN AUSLAND / VON ALFRED GERIGK

1. HOLLAND AUGUST 1939:

Ein Kriegsspelukant in Amsterdam

Drei Automobile stehen vor der Villa Hobbemastraat 20. Der Große Rolls Royce mit seinen vergoldeten Beschlägen an den Türen und Fenstern scheint den Renault, den Chrysler, die vor und hinter ihm parken, zu beherrschen, wie sein Besitzer die Männer, die von ihm abhängen. An der Tür der Villa mit ihren schmiede-eisernen Gitter, darüber ein zierlicher, leicht gerundeter Balkon, ist kein Schild zu sehen.
Doktor Fritz Mannheimer hält es für besser, seinen Namen in Amsterdam nicht öffentlich anzubringen — "solide Schlichtheit nach außen hin." heißt seine Parole für das Bankhaus in der Heerengracht, wie für die Wohnvilla gegenüber dem Reichsmuseum mit seinen Zinnen und Türmchen im Stil der Jahrhundertwende,
"Der Alte muß bald Schluß machen, sagt der Schofför des Rolls Royce zu seinen Kollegen vom Chrysler und Renault. Er sieht auf seine Uhr: "Er will den Zug nach Paris schaffen."
Fritz Mannheimer liegt zu Bett — wie oft haben seine Geschäftsteilhaber, seine Mitarbeiter ihn in der letzten Zeit so vorgefunden, wenn sie geschäftliche Gespräche mit ihm führen wollten. Vom Bett aus gab er dann mit müder Stimme seine Börsenorders — ein Herzkranker den manchmal mitten in der Arbeit ein Ohnmachtsanfall überrascht, kann Rücksicht verlangen. Aber die Herren van Aalst, Stach und Schirmer, die vor ein paar Monaten seine 'Teilhaber im Amsterdamer Bankhaus Mendelsohn wurden, sind es fast müde, Rücksicht zu nehmen. Ganz unbewußt kommt es ihnen jetzt oft in den Sinn: Weniger Frauen, weniger Zigaretten, weniger Alkohol – und die Rücksichtnahme wäre nicht nötig.
Salomon Wolff, der engste Vertraute des Chefs, notiert wie immer die Fragen und Bedenken, die ihm dessen Teilhaber dann und wann durch die Angestellten vortragen lassen, und er Weiß daß er wie immer nach der Besprechung seine Notizzettel wegwerfen kann, weil der Chef doch selbständig disponiert.
" 7. August 1939" hat er über den Notizzettel geschrieben, der die Beschwerden des heutigen Tages enthält: "Neederlandsche Handel-Maatschappij, verlangt Abdeckung der Kredite bis 15." — "London-Kredit erreicht 4 Millionen Pfund Sterling" — "Von allen Seiten dringende Wunsche nach sofortiger Verminderung der Kredite — "Geldeinlagen in die Bank stark zurückgegangen " — "Teilhaber verlangen schleunige Abrechnung über französische Anleihen."
"Der Zug nach Paris geht in einer halben Stunde ", sagt Mannheimer und richtet sich im Bett auf. "Die Herren werden verstehen, daß es nicht mehr möglich ist, alle ihre Fragen zu beantworten, aber Sie können ihnen bestellen: meine Abmachungen mit Paris werden in ein paar Tagen alle Beschwerden erledigen."
Die Benutzer des Chrysler gehen unbefriedigt aus dem Haus Hobbemastraat 20.
"Abmachungen mit Paris?" sagt der eine zum andern.
Meint er seine Privatbank, die die Gewinne für ihn selbst verbucht?"
"Lassen Sie es gut sein, Mannheimer weiß, was er macht" antwortet der andere. "Warum hätte er sonst das Bankstatut so abgefaßt, daß die Aufsichtsräte nicht die Pflicht haben, sich um die Geschäfte zu kümmern?"
Zehn Minuten später braust der goldbeschlagene Rolls Royce zum Hauptbahnhof Amsterdam, Dr. Fritz Mannheimer sieht ein wenig trübselig auf die Antiquitätengeschäfte, die in der engen Spiegelstraat rechts und links am Wege liegen — wie oft hat er dort Gelegenheitskaufe gemacht, wie genau kennt man dort überall den Wagen des Finanzmanns, der "Amsterdam zum internationalen Geldmarkt machte." Ihm fällt die wütende Redeschlacht ein, die er in der Zweiten holländischen Kammer gab, als vor drei Jahren das Gesetz eingebracht wurde, das ihm die holländische Staatsangehörigkeit gab. Die Regierung hat sich damals sehr stark für ihn eingesetzt: "Dr. Mannheimer hat in nicht geringem Maße dazu beigetragen", so hieß er in der Regierungserklärung, dass "Amsterdam zu einem internationalen Finanzcentrum wurde. Er lieferte damit den Beweis für seinen Gemeinschaftsgeist und erwies in unruhigen Zeiten unserem Lande wichtige Dienste."

Im Schlafwagenabteil nach Paris sitzt Mannheimer noch lange über den Aufzeichnungen im Notizbuch: "Die französischen Rüstungsanleihen werden wirklich eine Gefahr, denkt er bei der Durchsicht der Ziffern. Drei französischen Anleihen in sieben Monaten ist ein wenig viel: 100 Millionen Gulden im Januar, 25 Millionen Gulden im Juni, 6 Millionen Gulden im Juli — und die Holländer wollen kein Geld für diese Anleihen hergeben, die Bank bleibt immer wieder auf den Anteilen sitzen. Er blättert weiter in seinen Notizen und zieht den Schlussstrich unter die Beträge, die er für sich selbst aus der Bank Mendelssohn herausgenommen hat. Tatsächlich — es sind 13 Millionen Gulden, die er der Bank schuldet.
Mannheimer hat schwierige Situationen gemeistert. Mit 27 Jahren, inmitten der Stürme am Ende des Weltkrieges, Leiter der deutschen Kriegsmetallgesellschaft in Amsterdam, Vertreter der Metalversorgung des deutschen Kaiserreichs an einen der wichtigsten Plätze Europas, Vertreter der Deutschen Reichsbank in den Jahren der Markinflation und nun mit 49 Jahren Besitzer des Amsterdamer Bankhauses Mendelssohn & Co. — ach ja, die Compagnie. Man brauchte Teilhaber aus guten holländischen Familien, und man fand sie. Die Bilanz vom April 1938 war günstig genug, um vor einem halben Jahr die Herren zur Teilhaberschaft zu bewegen.
Was hat sich inzwischen abgespielt? Sie kommen immer wieder mit Beschwerden. Mannheimer lächelt über seinen Notizbuch. Von seiner Privatbuchfuhrung wissen sie trotz allem recht wenig.
Aber im verdunkelten Schlafwagenabteil gehorchen die Gedanken, die sich mit dem Erfolg eines allzu geschäftstüchtigen Lebens beschäftigen wollen, doch nicht so recht dem Willen. 13 Millionen Gulden an Bargeld-schulden bei der eigenen Bank ... Die Anleihe für Rot-spanien war ein Mißerfolg ... Die Holländer wollen die französischen Kredite nicht kaufen ... Paris muss helfen, mit diesem Gedanken schläft Fritz Mannheimer ein.
Die Welt zittert in der Erwartung: Will England den Krieg? Die Welt horcht auf die Meldungen über polnische Mißhandlungen Deutscher im Korridorgebiet, in Oberschlesien, in Lotz und Krakau.
7. August 1939 — im Notizbuch des Dr. Fritz Mannheimer sind mit dünner Schrift Eintragungen verzeichnet über Getreidespekulationen, die in vier, fünf Tagen fällig werden, Eintragungen über Wahrungsspekulationen, über Ankäufe großer Aktienpakete der englischen, der französischen Rüstungsfabriken.


"Wann rechnen Sie mit Kriegsausbruch?"

"Wie geht es Madame?" Mit liebenswürdigem Lächeln geht der französischen Finanzminister Paul Reynaud seinem Freund Mannheimer bis zur Tür des Arbeitszimmers entgegen. Er denkt mit Vergnügen an Jane Mannheimer, geborene Reiß: Vor acht Wochen Trauung in dem Vorort Vaucresson, er selbst, der Finanzminister der Republik Frankreich, als Trauzeuge, der Bürgermeister, der in seiner dörflichen Unbeholfenheit die Liebenswürdigkeiten übertrieb, der Ehemann, der bleich, übernächtigt, abgemagert von ständigen Entfettungs-kuren, neben der 26 jährigen. bildhübschen brasilianischen Jüdin stand, der Herzspezialist, der Dr. Mannheimer mit ein paar Einspritzungen über seine schwere Krise hinweggeholfen hatte — eine eigenartige Trauung und für ein Nest wie Vaucresson ein Ereignis, wie man es nur einmal in Jahrzehnten erlebt.
Mannheimer machte eine schnelle Handbewegung: "Mein lieber Reynaud. Ohne Umschweife, ich bin in Geschäften hier."
Reynaud mustert den Freund, mit dem er nun seit Jahren zusammenarbeitet. Fritz Mannheimer sieht wirklich nicht gut aus. Die Lieder hängen tief über den eingesunkenen Augen, auf den gelblichen Wangen stehen rote Flecken, und die Haltung ist nicht so selbstbewußt, wie er sie an dem erfolgreichen Financier gewohnt ist, der bei der Finanzierung der französischen Aufruestung helfen soll.
"Sie meinen die große neue Anleihe? Die Vorbereitungen sind getroffen. Zusammenlegung aller innenfranzösischen Anleihen der letzten fünf Jahre. Über Ausgabekurs und Zinsfuß müssen wir uns einigen. Wenn das Projekt durchgeführt ist, wird meine Stellung gesichert sein".
Mannheimer zündet sich eine Zigarette an. Das Projekt wird nicht durchgeführt, Reynaud." Er macht eine Pause. "Ich sitze fest. Die französischen Bonds sind in Holland nicht abzusetzen." Wieder eine Pause. "Wann rechnen Sie mit Kriegsausbruch?"
Reynaud wird sichtlich kühler. Er blinzelt nervös mit den Augen, ehe er antwortet — die "blinzelnde Ratte" nennen ihn seine Gegner wegen dieser Angewohnheit.
"Der polnische Botschafter und der englische Geschäftsträger waren gestern beim Außenminister. Coulondre hat aus Berlin gewarnt: Wir wollen keinesfalls Warschau zum
Einlenken bewegen. Warschau hat unsere Bestätigung, daß es gegen Deutschland festbleiben soll. Auch Chamberlain wird in den nächsten Tagen den Bündnisvertrag mit Polen bekräftigen. Die Meinung, daß es falsch ist, den unvermeidlichen Krieg noch hinauszuschieben hat sich durchgesetzt. Aber wann es beginnen wird?" Er zuckt die Achseln. "Das hängt schließlich auch davon ab, was Berlin antwortet."
"Meine Termingeschäfte laufen am 15. August aus." Mannheimer sieht den Freund mit gespannten Augen an.
Paul Reynaud sitzt nun länger im französischen Finanzministerium als die meisten seiner Vorgänger. Sein Ehrgeiz ist es, das Loch im französischen Staatshaushalt, das von Jahr zu Jahr größer geworden ist, zu stopfen. Wenn aber Frankreichs Finanzen durch das Rüstungsprogramm in jedem Monat starker in Anspruch genommen werden, so vergrößert das nur die Aufgabe die er seinem Ehrgeiz gestellt hat. Er hat große Anleihen an den französische Sparer herangebracht – sie waren eine Enttäuschung, der französische Sparer blieb mit seinem Geld im Ausland.
Doch Paul Reynaud gehört nicht zu den Franzosen, die vom Inland allein abhängig sind. Er ist oft genug von seinen Landleuten angegriffen worden, weil er als halber Ausländer, als Weltreisender lebt und auftritt. Seine

(next page, 20)


Neigungen für England, seine Besitzungen zu London, sind die Schwäche seiner Position in Frankreich und die Starke seiner Position als Finanzmann. Paul Reynaud hat den Versuch gemacht, Frankreichs Rüstungen auf dem Weg über das Ausland zu finanzieren.
"Ich habe Ihnen nie einen Termin genannt", sagt er nach kurzem Überlegen.
"Aber ich musste ein Termin suchen. Französische Rüstungsanleihen für 415 Millionen Gulden in drei Jahren — das ist keine Kleinigkeit. Seit Januar allein 130 Millionen und dazu die kurzfristigen Kredite. Unser Haus kann die Last nicht mehr tragen."
"Und Ihre erlösende Idee, Mannheimer? Daß unser Fluchtkapital zu Ihren Anleihen kommen wird?" Seit Jahren schaffen französische Sparer ihr Geld ins Ausland, weil Frankreich ihnen nicht sicher erscheint. Mannheimer hat sie fangen wollen: Französische Anleihen in Guldenwahrung — so kann man national sein und doch sicher gehen.
"Fehlgeschlagen! Schon die Januar-Anleihe war ein Mißerfolg. Und die Juni-Anleihe kann ich nur als Unter-pfand für Kredite an die Banken geben. Kredite bis über die Ohren, Reynaud. Ich muß Geld beschaffen, schnell!"
Er drückt die Zigarette im Aschbecher aus und zündet nervös eine neue an. "Um es kurz zu machen: der letzte Ausweg war — Spekulation auf Erhöhung der Getreidepreise. Wir haben oft über die Voraussetzung gesprochen: Kriegsausbruch heißt Preiserhöhung für Lebens-mittel."
Wieder sieht er mit gespannten, wartenden Augen in Reynauds Gesicht. Aber Reynaud ist sichtlieh peinlich berührt.
"Es ist kein Vierteljahr her. lieber Freund, daß Sie von mir Erhöhung Ihrer Kreditwürdigkeit verlangten. Sie sind Kommandeur der Ehrenlegion geworden. Ich kam als Ihr Trauzeuge nach Vaucresson. Der französische Staatsschatz hat Ihnen fast acht Millionen Franken ungedeckte Kredite gegeben. Was kann ich noch tun?"
Ein peinliches Schweigen zwischen den beiden Männer, die sich seit Jahren so genau kennen.
"Wenn der Krieg rechtzeitig kommt" sagt Mannheimer zögernd, "wird der französischen Staat seinen Auslandbankier nicht im Stich lassen. Sie werden selbst nicht glauben, daß der französische Kredit das verträgt."
"Der Krieg kommt, Mannheimer. Sie wissen, welche Abmachungen mit England bestehen, Sie kennen die Entschlossenheit Daladiers. Aber den Termin", er macht eine jener zuckenden Kopfbewegungen, die man im Parlament an ihm kennt, wenn er aufgeregt ist, "kann ich nicht bestimmen."
"Wie weit bin ich gut für kurzfristige Kredite aus dem Staatsschatz?"
"Aber Mannheimer, können Sie denn kein Geld bei Neuflize flüssig machen?"
"Sie wissen ganz gut. daß Neuflize und Co. mein Betrieb ist. Wenn ich nicht flüssig bin — wie soll meine Pariser Bank flüssig sein?"
Der Finanzminister kennt dieses schwierige Kapitel und hat die Frage nicht ohne Nebenabsieht gestellt: Neuflize und Co. ist die Pariser Bank, über die Mannheimer sich persönliche Gewinne gutschreiben läßt, die er dem Amsterdamer Bankhaus entziehen will. Das Telefon klingelt. Der Finanzminister nimmt den Hörer auf — er antwortet hastig, dann erhebt er sich: "Sie müssen mich entschuldigen, lieber Freund. Ich muss zur Ministerpräsidenten. Auf morgen, wenn es Ihnen paßt."
Die Rue de Rivoli mit ihren gewölbten Arkaden im Erdgeschoß, mit ihren palastartigen Häusern, die alle einander ähnlich sind, scheint Fritz Mannheimer an diesem 8. August 1939 nicht so strahlend schön, wie es oft der Fall war, wenn er zum Abschluss einer großen
Transaktion hinunterfuhr.
"Vaucresson" sagt er zu seinem Schofför und steckt sich die dreißigste Zigarette an diesem Tage an. Paris ist schön in der Spätsommersonne, und noch spürt man in den Straßen nicht viel von den Vorwehen des Krieges. Die Seine entlang und dann hinaus auf die Straße nach St. Germain.
Der Bürgermeister von Vaucresson bleibt am Straßenrand stehen und zieht den Hut, als er Mannheimers Wagen erkennt. "Wie geht es Madame? Meine Empfehlungen an Madame!" Aber Mannheimer hat heute keinen Sinn für Konversation auf der Dorfstraße. Er winkt müde ab. Sein Auto fährt in den großen Park seines Schlößchens Monte Christo ein.
Wenige Stunden später wird sein Arzt zu ihm gerufen.


Mannheimers geheimnisvoller Tod

Das graue Haus in der Heerengracht zu Amsterdam trägt für den Fremden kein Kennzeichen einer Bank. Schmale hohe Glasfenster vom Erdgeschoß bis zum vierten Stock, vornehme diskrete Beleuchtung, kein Firmenschild, nur seitlich neben der Haustür mit schwarzer Farbe auf den grauen Grund gepinselt die Hausnummer 412. Dicht vor dem Hause fließt, durch kein Gitter von der Straße getrennt, das Wasser der Gracht aus der Binnenamstel zum Hafen hin.
Im Hause Heerengracht 412 sitzen die Leiter der Bank Mendelssohn & Co., wie oft in diesen Tagen, sorgenvoll beieinander.
Der junge van Aalst war schon Prokurist bei Mannheimer, als sein Vater noch die Niederländische Handelsgesellschaft leitete, jene vornehmste Bank Hollands, die
einst König Wilhelm gegründet hatte. "Warum" so fragte man ihn damals, "arbeiten Sie nicht bei Ihrem Vater statt bei Mannheimer?" Er wehrte lächelnd ab: "Was soll ich in der Filiale, wenn ich im Hauptgeschäft sein kann?" Der alte van Aalst stürzte vor Jahren über Mannheimen Spekulationen. Aber der junge van Aalst weiß jetzt, seit er Teilhaber des "Hauptgeschäftes" ist, recht wenig davon, wes in diesem Geschäft eigentlich vorgeht.
Sie haben oft über den Konten und Ziffern gebrütet, die Teilhaber der Amsterdamer Bank Mendelssohn, und sie haben den Chef mit Fragen bedrängt. Kann es stimmen, daß dem Gesellschaftskapital von sechs Millionen Gulden Geschäfte gegenüberstehen, die in die Hunderte von Millionen gehen? Warum gelingt es Mannheimer nicht in die gute holländische Gesellschaft einzudringen? Warum kommt er mit den alten Bankhausern nicht ins Geschäft ? Der Chef hat bei solchen Fragen rechthaberisch auf seine Erfolge vergangener Jahre verwiesen oder geheimnisvoll seine internationalen Beziehungen gerühmt. Aber in seine Privatbuchhaltung hat er ihnen keinen Einblick gegeben.
Am 9. August 1939 alarmieren Telefonanrufe die Teilhaber der Bank Mendelssohn: Mannheimer plötzlich in Vaucresson gestorben.
Am [Nieuwezijds] Voorburgwal, wo die Straße sich zum Platz erweitert, ist das Zeitungsviertel der Handelsstadt Amsterdam. Da steht das Marmorne Riesengebaude des "Telegraaf", da leuchten die hohen Glasfenster des "Vaderland" und des "Maasbode". In den Zeitungshausern hat man an diesem Tage ausgiebig mit Politik zu tun: Nach einwöchiger Krise ist das neue Kabinett des Jonkheer de Geer ernannt und vereidigt worden. Aber auf die Nachricht vom Tode Mannheimers nun muss man doch noch einen Leitartikel auf die erste Seite bringen.
Leitartikel und Lebenslauf Mannheimers werden schnell diktiert und ins Blatt gebracht. "Daß Dr. Mannheimer versuchte, das Fluchtkapital aus Frankreich zu erfassen, mag einfach scheinen, aber es ist damit wie mit dem Ei des Kolumbus. Wer einmal die europaische Finanzgeschichte nach dem Weltkrieg schreiben wird, wird an einer Personlichkeit von napoleonischem Charakter, wie sie durch Dr. Mannheimer verkörpert wird, nicht vorbeikommen."
In der Heerengracht 412 im Bankhaus Mendelssohn wird nach langen Überlegungen beschlossen, daß der junge Herr van Aalst nach Paris fliegen soll, um sich an Ort und Stelle in Vaucresson vom Stand der Dinge zu unterrichten.

Der "Ein-Mann-Laden"

"Bankhaus Mendelssohn in Amsterdam stellt Zahlungen ein." Am 11. August teilen die Zeitungen ihren Lesern diese Neuigkeit mit. Was bedeutet das Bankhaus für die breite Masse? Es ist keine offene Bank mit einer Vielzahl kleiner Kunden, und die Mehrzahl der Leser sieht zunächst gleichgültig über die Nachrieht hinweg. Aber durch die Finanzwelt in Paris, in Amsterdam, in New York, in Zürich geht ein leises Beben. Mendelssohn? Die Bank Mannheimer? Der Auslandsbankier des französischen Staates?
Am Mittwoch starb Mannheimer plötzlich und überraschend in Vaucresson, am Freitag stellt Mendelssohn-Amsterdam seine Zahlungen ein. Muss nicht ein Zusammenhang zwischen den Ereignissen bestehen? Lange schon hat die Bank Mendelssohn den Spitznamen, "One-Man's-shop", — der "Ein-Mann-Laden", weil man weiß, das es eine Bank ist, die eigentlich nur aus Mannheimer

//

selbst besteht und in der die anderen nur Statisten sind. Plötzlicher Tod und darauffolgende Zahlungseinstellung - das muß Bankrott bedeuten.
An diesem Tage erscheint in Vaucresson Finanz-minister Paul Reynaud. Er drückt der jungen Witwe teilnehmend die Hand. Der Minister ist sichtlich tief bewegt — kein Wunder: seine Finanzpolitik war auf Mannheimer aufgebaut, und Mannheimer war der Bankier, der an Reynauds Stern glaubte. Was wird man in Londoner City zu diesem Ereignis sagen?
Minister Paul Reynaud hört von dem Gerücht, Mannheimer habe Selbstmord verübt. Er spricht mit seinen Minister-Kollegen:
"Die Finanzen vertragen jetzt nicht die Belastung durch einen Skandal. Es muß mit der Presse gesprochen werden. Keine allzu große Berichten über den Fall." Er zeigt auf ein Zeitungsblatt: "Sehen Sie da, der deutsche Oberbefehlshaber hat zu Arbeitern über die Wirtschaftsstärke Deutschlands gesprochen. Wir können in diesen Tagen keine Erschütterung des französischen Kredits zulassen."
Die Pariser Blätter bringen tief bewegte Berichte vom Totenbett. Erklärungen der Verwandten versichern: Mannheimer starb ein natürlichen Todes. Aber an den
Weltbörsen Westeuropas und Amerikas beurteilt man den Fall nicht nach den öffentlichen Erklärungen, sondern nach den Todesfolgen: Zahlungseinstellung der Bank Mendelssohn.



Vom Inflations-Spekulanten zum Kriegs-Spekulanten

Amsterdam ist eine Handelsstadt. Haus neben Haus liegen an den Grachten und Straßen die Großbanken, die Privatbanken, die Handelshäuser, die Kontore der Reedereien, der Versicherungen. Die Mehrzahl der guten, soliden holländischen Bank- und Handelshäuser hat sich Mannheimers Finanzmethoden widersetzt. An der Börse, bei der Kaffeetafel in den Mittagsstunden nach zwölf, bei den Telefongesprächen, die von Bankhaus zu Bankhaus
stattfinden, sind Mannheimers Tod und der Fall der Bank Mendelssohn das Hauptthema der Erörterungen. "Sie werden sich erinnern, wie unsolide die letzte französische Anleihe war. Auf der Vorderseite der Anteile der Aufdruck: "Drei Monate Laufzeit, und hinten in kleiner Schrift die Anmerkung" "Dieser Wechsel kann auf Wunsch der Französischen Regierung dreiundzwanzig mal um je drei Monate verlängert werden."
"Kein Wunder bei einem jungen Mann, der 1920 mit Koffern voll deutscher Inflationsnoten einreiste."
"Mit Koffern voll Inflationsnoten?"
"Kennen Sie die Geschichte nicht ? Mannheimer baute doch damals auf Inflationsspekulationen sein Geschäft auf. Mit Inflationsspekulation groß geworden — mit Kriegsspekulation vergangen."
"Aber wie konnte die Niederländische Bank dem Mann Kredite geben? 17 Millionen Gulden, soweit man hie jetzt erfahren kann. Holländisches Geld für Auslands-Geschäfte. Holländisches Geld für Rustungsgeschäfte und kein Kredit für die holländische Wirtschaft."
"Es gibt Leute, die sich seit langem Sorge gemacht haben. Denken Sie an die Parlamentsdebatten — zweimal Anfrage in der Kammer, daß Hollands Neutralität leiden müsse, wenn wir fremde Rüstungsanleihen zulassen"
"Am schlimmsten ist die Niederländische Handelsgesellschaft hereingefallen: 30 Millionen Kredite an Mannheimer, dabei beträgt das ganze Gesellschaftskapital nur 40 Millionen."
Von den Weltbörsen kommt das Echo der großen Bankkrachs nach Amsterdam zurück. New York: Wir haben Kredite nur gegen Sicherheiten gegeben. London: 4 Millionen Pfund Kredite an Mendelssohn wurden gegen Sicherheit gegeben. Die Finanzmärkte von Weltformat haben sich zu schützen gewußt — an Holland bleibt der Schaden hängen. Und am gleichen Tag fallen an der Londoner Börse die Holländischen Ölpapiere, weil die City fürchtet, daß Hollands Wirtschaft ernstlieh leiden könnte, und weil sie deshalb schleunigst holländische Papiere abstößt. Im Hause Heerengracht 412 arbeitet man bis tief in die Nächte hinein, um eine Übersicht über dir Geschäfte zu gewinnen, die Mannheimer in seinen geheimnisvollen Notizbuch aufschrieb. Die Angestellten bekommen einen kurzen Brief: "Mit Rücksicht auf die eingetretenen Umstände sehen wir uns genötigt, Ihre Stellung zum 30. September 1939 zu kündigen".

Further on page 36. (cartoon). Cartoon caption.

 

 


"Aber wie konnte dir denn so was passieren, wenn du dich vollkommen neutral verhieltest...?"
"Na ja, wie denn? Er machte es wie die Engländer, und übte einen solchen Druck aus, daß ich in diesem Fall einfach nachgeben mußte!"


Author's note: Just before WW2, Holland was officially neutral and traded with all neighboring contries. This article shows the very intelligent and insidious framing of German communication and thought just before WW2. Obviously the German army attacked Holland considering itself as a liberating force, to get the Dutch out of the tentacles of the perfice English, the evil capitalist Americans, the Plutokraten, the weapons industry, the war-mongerers, ... etc.




Transfer via OCR and manual corrections, final edit on 7 December 2014 from page images in Dutch Royal Library, KB.



Third party testimonials about Drs Kaldenbach

 Menu of Kaldenbach tours

An exceptional Rembrandt: Uyttenboogaard in the Rijksmuseum

 

Update 17 January, 2016. Updated 7 March, 2018.