Vier Schritte, um einen dreidimensionalen Spaziergang durch das historische, kulturelle Erbe von Delft zu entwerfen

 

Kees Kaldenbach


 

NEU: ein QuickTime-Spaziergang durch die Zeichnungen der südlichen Stadttore von Delft &endash; genau die Stadttore, die Vermeer in seiner ,Ansicht von Delft' darstellt.

Eine Reihe neuer QuickTime-Filme zeigt das Gebiet von Vermeers 'Ansicht von Delft' jetzt in 3D. Sie stehen online auf der Seite des Fachbereichs Industriedesign, Delft, zur Verfügung.

http://studiolab.io.tudelft.nl/vermeer/

Making of: http://www.delftintegraal.tudelft.nl/info/index3348.html?hoofdstuk=Artikel&ArtID=2679

 

Von dieser Seite aus können Sie jeden Film Ihrer Wahl ansehen. Das Herunterladen ist kostenlos &endash; aber alle Filme sind urheberrechtlich geschützt.

Dieses Projekt wurde dankenswerterweise vom Fachbereich für Industriedesign der Fakultät OCP (Design-Technik und Produktion) der Universität Delft in enger Zusammenarbeit mit dem Projektleiter, dem Kunsthistoriker Drs Kees Kaldenbach, entwickelt und ins Leben gerufen.

 

Schritt 1) Erklärung unseres Projektes

Die Geschichte begann, als Kaldenbach 1998 in Kees Jorens' Büro im Delfter Gebäude für Industriedesign trat und dort das aufregende Projekt „Flug über Delft " vorstellte, welches gerade an der Fakultät für Geodäsie abgeschlossen worden war. Kaldenbach schlug vor, darauf aufzubauen und eine weitere Zusammenarbeit zwischen den Welten der Kunstgeschichte und der 3D-Technologie zu beginnen.

Da Jorens sofort mit Enthusiasmus bei der Sache war, folgte eine ganze Serie von Abteilungsbesprechungen. Wir starteten mit der Idee, ein bewegtes Bild der ,Ansicht von Delft' zu entwerfen &endash; mit Wellenschlag, fahrenden Schiffen, bellenden Hunden, fliegenden Vögeln und dahinziehenden Wolken.

Dieses Anfangskonzept (das größere Gestaltungsarbeit und Drahtkonstruktionen erfordert hätte) wurde nach und nach auf eine andere Ebene konzeptionellen Denkens gebracht.

Auf der Basis meiner Sammlung von Reproduktionen künstlerischer Zeichnungen und Drucke &endash; die allesamt Ansichten dieses Gebiets zwischen 1650 und 1900 zeigen &endash; wurde entschieden, sich eng an die Originale anzulehnen und sie in dreidimensionale Ansichten umzuwandeln.

So wurde dieses bahnbrechende Projekt in den Jahren 1998-2001 weiterentwickelt. Immer wieder haben die Uni-Kollegen (auf Holländisch: ,hoofddocenten' Pieter Jan Stappers und Kees Overbeeke vereinbart, sich zu treffen, um die Zukunft des Projekts zu besprechen. Beide haben mit Begeisterung ihre Entwurfsvisionen und ihr technisches Wissen zur Verfügung gestellt.

Schritt 2) Scannen der benötigten Bilder.

Mit der tatsächlichen Umsetzung dieses Projektes wurde im Mai 2000 mit dem Scannen der Bilder im Delfter Archiv begonnen, das sich dem Projekt gegenüber äußerst kooperativ zeigte. Onno van Nierop führte das elektronische Scannen der Originale in den Städtischen Archiven durch. Diese hochauflösenden Abbildungen wurden auf Computer gespeichert.

 

Schritt 3) Umsetzungsprozeß

Der Student Petrik de Heus übernahm die zeitraubende 3D-Arbeit mit dem Software-Paket Canoma. Canoma ist eine Software, die &endash; mit einiger Anstrengung des Anwenders &endash; 3D-Geometrie aus Fotografien entwickelt. Die Anwendung wurde von Metacreations entwickelt und später von Adobe gekauft, die Canomas Technologie in zukünftige Prodkukte integrieren wird. Mehr Informationen über Canoma finden sie unter http: http://www.canoma.com. Canoma ist ein sehr geeignetes Werkzeug, da es in der Lage ist, den Standpunkt innerhalb einer gegebenen Abbildung zu wechseln, wobei es die Oberfläche der verschobenen und veränderten Gebiete mit einer Kopie der originalen Oberflächenstrukturen und &endash; farben bedeckt.

De Heus' Arbeit resultierte so in einer Reihe von kurzen Canoma-Filmen. Einige von ihnen sind in sich abgeschlossene, einfache Filme: sie beginnen mit der Ansicht des Originals, zoomen das Objekt heran, schwenken das imaginäre Kameraobjektiv an nahegelegenen Gebäuden vorbei, die dreidimensional erscheinen, aber tatsächlich papierdünn sind. Die ganze Anstrengung führte zu einem bemerkenswert räumlichen Gang durch eine virtuelle Welt kulturellen Erbes.

Einer der letzten Filme jedoch, der „Rotterdam-Film", entwickelte sich zu unserem ,objet de résistance'. Dieser Film ist wirklich einzigartig, da er Bilder einer imaginären Kameralinse kombiniert, die sich durch eine Reihe aufeinanderfolgender Zeichnungen und Drucke bewegt. Die Kameraführung beginnt weit entfernt, auf der östlichen Seite des Rotterdamer Tores, kommt näher, zeigt das ganze Tor (beachten Sie die vier statischen Bilder auf der linken Seite), bewegt sich durch das Tor, wendet sich nach links, schwenkt hinüber zu den Gebäuden auf der gegenüberliegenden Seite, vollzieht erneut eine volle Drehung nach rechts und bewegt sich schließlich auf das Schiedamer Tor zu, das sich auf Vermeers ,Ansicht von Delft' im Zentrum befindet. Diplomingenieur Aldo Hoeben schuf dieses ,objet de résistance', indem er die geometrische Ausgabe von Canoma in ein konventionelles 3D-Animationspaket umwandelte. Nachdem er Maßstabsprobleme und einige Unstimmigkeiten in der Geometrie zwischen den Ansichten gelöst hatte, wurde ein Durchgang animiert und mit zeitlich abgestimmten Ausblendungen aller Objekte von einer Ansicht zur nächsten kombiniert.

Die Grundidee hinter allen Filmen war nicht, eine fotorealistische Erfahrung zu erschaffen. Die Schönheit der originalen Zeichnungen und Drucke, kombiniert mit dem magischen Effekt, in diese alten Reproduktionen von Delft hineinzugehen, brachte uns dazu, die ,unregelmäßigen Kanten' zu belassen, die die Ergebnisse des technischen Schöpfungsprozesses in einer ihr eigenen technologischen Ästhetik erscheinen lassen. Eine solche ,unregelmäßge Kante' kann man als schiefe schwarze Linie beispielsweise in der unteren linken Ansicht der vier aufeinanderfolgenden Ansichten erkennen. Außerdem hat Aldo Hoeben eine Browser-Schnittstelle geschaffen, die es dem heutigen Internet-Betrachter oder dem zukünftigen CD-Rom-Betrachter erlaubt, jeden zur Verfügung stehenden QuickTime-Film auszuwählen.

 

4) Schritt: Zukünftige Projekte

Dieser Satz von QuickTime-Filmen zeigt einen neuen, verführerischen und aufregenden Weg auf, das Beste unseres kulturellen Erbes einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Die geglückte Verbindung von Kunstgeschichte und digitaler Technologie wird zweifellos eine Anregung für Museen, Firmen und Institutionen sein. Im Moment jedenfalls kann sich jeder an den jetzigen QuickTime-Filmen im Internet erfreuen. Da das Herunterladen eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, werden drei Größen angeboten &endash; klein, mittel und groß, die zu einer jeweils größeren Darstellung auf dem Bildschirm führen.

Ich denke darüber nach, in Zukunft eine CD-Rom zu entwickeln, die viele Aspekte der Geschichte von Delft zusammenführt. Sie würde Delft von seiner ökonomischen Wurzel her präsentieren &endash; Delft als ein ökonomisches Zentrum innerhalb des landwirtschaftlichen Delfter Landes. Delft blühte wegen seiner Bierbrauereien und später wegen seiner Delfter Porzellanmanufakturen auf. Dieses Kapitel würde auch die Rolle der lokalen Ostindischen Kompanie hervorheben.

Man könnte auch eine vollkommen andere Untersuchung starten &endash; beispielsweise die politische Vergangenheit, wobei man zu realisieren vermag, wie diese strategisch gut gelegene Stadt für gewisse Zeit zum Sitz des Prinzen von Oranien wurde -, und die Verteidungsbauten miteinbeziehen, oder sich auch auf das reiche kulturelle Leben konzentrieren, das zur Blüte der Malerei, Musik und Druckkunst führte. In dieser Hinsicht würde die erst kürzlich veröffentlichte Karte ,Johannes Vermeer & die Delfter Schule' eine wunderbare Ergänzung bieten. Es wäre sogar denkbar, das Delfter Kunstleben, wie es uns John Michael Montias bekannt gemacht hat, auf einer zukünftigen CD-Rom festzuhalten.

 


 

Danksagung

Ich danke dem Fachbereich für Industriedesign der Fakultät OCP (Design Engineering and Production) der Delfter Technischen Universität für die Ermöglichung und Unterstützung dieses Projektes &endash; und für die Betreuung der QuickTime-Filme.

Dank auch an Petrik de Heus für seine sehr sorgfältige Arbeit mit Canoma. Großer Dank an Aldo Hoeben für die Betreuung des Projektes, Bearbeitung der Animationen und Schaffung der Internet-Schnittstelle. Er investierte zudem viele Stunden in seiner eigenen Design-Agentur studioPKO.

Das Team aus Mitgliedern des Fachbereichs Industriedesign, das dieses bahnbrechende Projekt Schritt für Schritt entwickelte und in den Jahren 1998-2001zur Ausführung brachte, bestand aus Kees Jorens, Kees Overbeeke und Pieter-Jan Stappers. Dank an Onno van Nierop für das elektronische Scannen der Originalkunstwerke im Städtischen Archiv, das dabei seine volle Unterstützung gewährte. Die daraus entstandenen QuickTime-Filme stehen online unterhttp://studiolab.ide.tudelft.nl/vermeer/ zur Verfügung.

Alle Bilder unterliegen dem Urheberrecht 2001. Bitte wenden Sie sich an Kees Kaldenbach, bevor Sie irgendwelche Bilder kopieren, abspeichern oder drucken wollen. Noch Fragen zu diesem Projekt? kalden@xs4all.nl

 


 

Diese Seite wurde am 27 Juni 2001 erstellt. This page was updated 8 Dez. 2014. Übersetzung von Karin Löhnert, München (Danke!)