Die 'Ansicht von Delft' von Johannes / Jan Vermeer, ein Führung durch dieses Gemälde

 

Kees Kaldenbach, Kunsthistoriker. Gibt auch Private Art Tours

 

Einladung zum Vogelflug ueber Delft, 1660

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Vergrossete Ansicht.


 

Vermeer's 'Ansicht von Delft' war der Hoehepunkt der Vermeer-Ausstellungs von 1996. Erstmals war sie zu sehen im National Gallery of Art, Washington DC und spaeter im Koeniglichen Gemaelde Kabinett Mauritshuis, Den Haag. Abbildung: siehe Ansicht von Delft. Eine Amerikanische home page zeigt alle bekannte Vermeer Gemaelde. Die Vermeer Gemaelde in Amsterdam sind hervorragend zu sehen im Rijksmuseum.

Doch vielleicht ist es viel einfacher zuerst eine gute Reproduktion in Buchform zu finden . Siehe auch View of Delft in Artibus et Historiae, 1982.

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Es wurde oft geschrieben dass der Hollaendische Koenig Willem I von Oranje (er regierte 1813-1840) dieses meisterliche Vedute sehr geschaetzt habe. Aber nicht er waelhlte dieses Gemäldeaus, das 1822 auf dem Kunstmarkt erschien, sondern der Direktor des Reichsmuseums in Amsterdam und sein Rat. Sie waehlten ein anderes Bild fuer Amsterdam und entschieden, dass Vermeers Gemälde in Den Haag, in der Oeffentlichen Sammlung (Koeniglich Gemaelde Kabinett Mauritshuis) aufgenommen werden sollte.

Willem I könnte spaeter dennoch persönliche Grund gehabt haben es zu schaetzen. Der Turm der Neuen Kirche (10) spielt eine Hauptrolle im Gemaelde. Dieser Turm ist ein Teil der Kirche wo sein Ahne Willem von Orange (regierte 16. Jahrh.) begraben ist. König Willem I von Oranje wusste das er selbst eines Tages dort in der Krypta begraben werden wuerdel, unter dem Monument seines Vorvaters.

Viele Generationen von Kunstkennern: Laien aber auch Kunsthistoriker haben angenommen dass Vermeer eine genaue Abbildung geschaffen haette von Delft so wie es war während seines Lebens, rund um das Jahr 1660. Lasst uns - um dies zu überprüfen - eine Fuehrung durch dieses Gemaelde machen.

Stadtansichten

Eine Sammlung von Stadtansichten, die ich aus Archiven angelegt habe, konnte eine so große und letztendlich eine so überraschende Menge detaillierter Auskünfte enthalten wegen der Vorliebe der Holländer für die Darstellung von Stadtansichten. Diese Spezialisierung fing an sich im 17. Jahrhundert (dem Jahrhundert von Vermeer und Rembrandt) zu entwickeln, und kam im 18. Jahrhundert zur vollen Blüte. Holländische Bürger verfügten schon im 17. Jahrhundert über Stadtpläne von hervorragender Qualität (siehe Abb. 1 und 4). Sie sahen auch die einzigartige Qualität und Schönheit, die aus der Architektur der Bürger in der Republik der Vereinten Niederlande hervorging. Nirgendwo anders in Europa sah man so wohlhabende Städte, die derart organisch und geordnet gewachsen waren, mit Giebeln aus rotem Backstein. In den Seitenstraßen standen die einfachen Wohnungen. Herrschaftliche Häuser wurden oft an Plätzen und Stadtkanälen gebaut. Das Kapital das dafür benötigt war, wurde mit dem Handel verdient. Holländische Städte funktionierten wie ein Stapelmarkt ('Supermarkt Europas') mit vielen fremdländischen Erzeugnissen aus Europa und andern Weltteilen: Holz und Getreide aus den Ostseehäfen, Wein und Wolle aus Frankreich und England und zahllose andere Produkte von Übersee. Ungeheuere Gewinne machte man vor allem mit Gewürzen aus Niederländisch-Ostindien, das jetzt Indonesien heißt. Es war auch die Rede von Gewinnen aus dem Sklavenhandel zwischen Afrika und Amerika, eine dunkele Seite unserer Geschichte.

Dieser Handel, der so viel Reichtum hervorbrachte, erreichte seinen Gipfel im holländischen 'Goldenen Zeitalter', so etwa zwischen 1580 und 1670. Wohlhabende Bürger, aber auch einfache Handwerksleute wollten passende Verzierungen in ihren Häusern haben. Reiche Bürger bestellten große topographische Karten und hängten sie an ihre Wände, wie wir sie oft bei Vermeer dargestellt sehen. Oder sie schafften sich Stadtansichten in Ölfarbe an, zum Beispiel beim erfolgreichen Kunstmaler Van der Heijden in Amsterdam oder aber bei einem der Kunstmaler aus der eigenen Stadt. Handwerksleute erwarben für sich vielleicht eher eine Stadtansicht als Stich oder Aquarell. Künstler entwickelten schon bald eine eigene Spezialisierung und fingen an für den Markt zu arbeiten. Im 18. Jahrhundert gab es in Holland eine Anzahl Künstler die aus der Herstellung von Stadtansichten in Stich und Zeichnung ihren eigenen Unterhalt bestreiten konnten, wie Cornelis Pronk, Abraham Rademaker und andere.

Ansichten von andern Künstler

Der Niederlaendische Kuenstler Jan de Bisschop hat eine Ansicht gewaehlt, etwas mehr vom linken Seite. Dassjenige was ein wenig ungenau bleibt bei Vermeer ist deutlich gezeichnet in seiner Federzeichnung: Die Kethel Tor (B1), Schiedam Tor (B2) und, weiter ueber das Wasser, der Vor-Tor der Rotterdam Tor (B3). Eine Anzahl von Leute stehen herum und warten auf dem Kai und dem Damm der sich ausdehnt vor der Schiedam Tor. Die Mauer an der rechten Seite, an der Stadtseite mit Erde verstarkt, hat halbrunde Turme.

In Jahre 1695 hat ein anderer Niederlaendischer Kuenstler, Josua de Grave, Zeichnungen gemacht vom Innenseite der Stadt mit Blick auf die drei Tore gesehen: Rotterdam Tor (G1) Schiedam Tor (G3), und Kethel Tor (G4). Diese Zeichnung ist so reich an Einzelheiten, dass wir fast im Stande sind herum zu laufen. Es hilft uns besser zu verstehen was Vermeer gemalt hat.

Vom Giebel an der linken Seite gesehen, sehen wir nur das obere Dreieck (1). Dieses gehoert zum Gebäude dass etwas weiter zurueck liegt, und ein langes Dach hat (3). Unter diesem Dreieck sehen wir eine Reihe kleinere Giebel (Treppen-Giebel, 2). Diese stehen vor dem grossen Gebäude und sind Teil des Hausen entlang der Kethel strasse (K).

Touristen die durch Delft wandeln machen machmal den Fehler und denken dass das heutigen Ost-Tor - mit den zwei schoenen Turme - das Tor ist das Vermeer gemalt hat. Der wirkliche Standpunkt (S) den Vermeer waehlte ist suedlich des Armamentariums, über den Wasser der Schie im zweiten Stock eines Hauses (jetzt abgebrochen).

 

Das von Vermeer dargestellte 'Zuideinde' war an sich ein hübsches und malerisches Stück Delft. Es war aber auch ein belebter Hafen für den Güter- und Personenverkehr. Viele Reisende und also auch Künstler mußten dort einige Zeit warten auf die Abfahrt ihrer Treckschüte (Treidelschiff) oder auf ein anderes Passagierschiff zu einer der anderen holländischen Städte.

Der Personentransport fand nämlich hauptsächlich per Liniendienst über Wasser, nicht über Land statt, was auf viele ausländische Besucher einen unauslöschlichen Eindruck machte. Wenn diese vorher eine lange anstrengende Reise im Pferdewagen durch zahllose Schlaglöcher und auf hartem Kopfsteinpflaster hinter sich hatten, so war die ruhige Fahrt auf dem Treidelschiff eine wahre Erleichterung. Auf diese Weise ist eine Anzahl Zeichnungen bewahrt geblieben, die von wartenden Künstlern gemacht wurden.

Vermeer steht eigentlich am Anfang der topographischen Spezialisierung. Von ihm kennen wir drei Stadtansichten: 'het Straatje (die Straße in Delft)', das im Rijksmuseum Amsterdam hängt, und das wahrscheinlich keine tatsächliche Situation wiedergab; weiter eine andere, aus Dokumenten bekannte, aber leider verlorengegangene kleine Stadtansicht. Beide werden wohl für den örtlichen Delfter Markt gemacht worden sein. Aber 'Gezicht op Delft (Ansicht von Delft)' ist meines Erachtens eine auf eigene Initiative geschaffene Ode an seinem Geburtsort, ein glorreicher Lobgesang im großzügigem Format, ein Gemälde das heute noch immer eine starke Ausstrahlung auf den Zuschauer hat.

Was sehen wir in der 'Ansicht von Delft' von Vermeer?

Sonnenlicht scheint auf den Turm der Nieuwe Kerk (Neuen Kirche) und auf die Wohnhäuser am Lange Geer, einem Kanal (siehe Nr. 10 und 9). Vermeer malte rechts das Rotterdamer Tor (11), das aus dem Hauptgebäude und dem Vortor mit zwei kleinen Türmen (12) besteht. Gleich dahinter liegt eine doppelte Klappbrücke die zu der Schiffswerft am Fluss Schie führt. In der Mitte bildete Vermeer das Schiedamer Tor (8) ab, wovon in Vermeers Tagen -also um 1660 herum - nur noch das Hauptgebäude übrig war. Links hinter diesem Tor sehen wir das Dach des Armamentarium (6), das Waffenlager das heute immer noch da steht. Direkt links vom Schiedamer Tor sehen wir das kleine Ketheltor, dem Zugang zum Kai am Schie bot (7).

Einige Figuren stehen am Kai, darunter drei vornehm gekleidete Bürger (13) bei einer Treckschüte mit rotweißem Aufbau, der Schutz vor Wind und Regen bietet. Rechts stehen zwei Frauen in Bauerntracht, eine von ihnen hat einen Korb unterm Arm (14). Angetäut an der Schiffswerft liegen ganz rechts zwei Büsen, das sind Schiffe die eigens für die in Holland sehr wichtige Heringsschifffahrt gebaut wurden (17). Die großen Masten dieser Büsen sind heruntergetakelt worden. Mittschiffs kann man die Öffnungen sehen, wodurch die Heringnetze ins Schiff gezogen werden können.

Weit weg, am Kai vor der Stadtmauer (15), ist noch eine Handvoll Figuren zu sehen und liegen einige Segelschiffe. Gegen die Mauer des Rotterdamer Tors liegt eine Anzahl von Treckschüten von der gleichen Gattung wie die Treckschüte links vorne.

Von dem Spitzgiebel aus links hinten sehen wir das obere Dreieck (1). Dies gehört zum etwas weiter zurückliegenden großen Gebäude mit dem großen waagerechten Dach (3). Unter diesem Dreieck sehen wir aber noch einige kleine Treppengiebel (2), die etwas weiter vor dem großen Gebäude stehen und einen Teil einer kleinen Häuserzeile an der Kethelstraat bilden.

Möglicherweise gab es da ein stattliches Dach, das zur Brauerei 'de Papegaey' mit dem schlanken kleinen Turm (5) gehörte. Vermeer hat wahrscheinlich die Höhe und Länge des Dachs der von ihm gewünschten Komposition angepaßt. Auch wurde die Position des Vortors des Rotterdamer Tors (12) quer seitlich weggedreht, um eine Verstärkung der horizontalen Wirkung zu erzielen. Die Brücke (16) zwischen den beiden Toren wurde aus demselben Grund von Vermeer auch flacher und gestreckter dargestellt. Der Turm der Oude Kerk (Alten Kirche) fällt hier kaum auf (4), während der Turm der Neuen Kirche (10) gerade doppelt zu breit wiedergegeben wurde. Wenn man sich aber der Stadt Delft aus einiger Entfernung nähert, sind diese beiden Türme in Wirklichkeit gleich imposant.

 

Final notes 2, postscript 2011.

  More detals on the opening of the official herring fishing season are given in the book: Eelco Beukers, Hollanders en het water, Twintig eeuwen strijd en profijt 2, Hilversum, Verloren, 2007, p. 350. Initially when the herring buis was invented the season opened on St Michaels day, September 29. Then it was brought forward to St Bartholomews Day, August 24 And then for many centuries it was fixed on St Johns Day, June 24. The 19th + 20th century date was about June 4 to June 15, depending on the harbour. If we accept the June 24 date as a new fact, then the time frame of the painting is to be set some weeks later.

 

NEU!!! Eine genaue Datierung 'Ansicht von Delft'.

Jonathan Janson mahlt im Stil Vermeers und beschrebt genau wie er das macht:

http://newvermeers.20m.com/

http://www.essentialvermeer.20m.com/

http://howtopaintavermeer.fws1.com/


 

Publikation - Deutsche Sprache:

"Ein Flug ueber die 'Ansicht von Delft', Jan Vermeers Meisterwerk von 1660 als virtuelle Welt" in: Weltkunst, Februar 1999, seite 308-310. Text und Abb. siehe auch Fliege wie ein Vogel ueber Delft, 1660


Publikationen

A publication list in English

 


 

Noch enige Bemerkungen

Dieses Gemälde wuerde angekauft durch den Niederlaendischen Staat (fuer den Koenig) in 1822 für die damals sehr hohe Summe von 2900 Gulden. Wie 1822 im Verkaufskatalog behauptet dass die Mehrheit des Gemäldes dieser Versteigerung aus der Stinstra Sammlung kam, in der Frisischen Stadt Harlingen. Also man dachte, dass Vermeers Gemälde sich in Harlingen befand hatte. Der sehr gut gemachte 1996er Ausstellungskatalog der grossen Vermeer Ausstellungs hat neue Erkentnisse über die Provenance dargestellt. Das Gemälde war nie in Harlingen sondern in Haarlem/Heemstede, im Samlungen W. Kops und Teding van Berkhout (siehe auch 'Mauritshuis in focus', Dez. 1995).

 

Final notes 2, postscript 2011.

  More details on the opening of the official herring fishing season are given in the book: Eelco Beukers, Hollanders en het water, Twintig eeuwen strijd en profijt 2, Hilversum, Verloren, 2007, p. 350. Initially when the herring buis was invented the season opened on St Michaels day, September 29. Then it was brought forward to St Bartholomews Day, August 24 And then for many centuries it was fixed on St Johns Day, June 24. The 19th + 20th century date was about June 4 to June 15, depending on the harbour. If we accept the June 24 date as a new fact, then the time frame of the painting is to be set more freely some weeks later.

 


 

Holländisch: Eine Besprechung Kaldenbach 'Vermeer Studies'.

Drs Kaldenbach gibt auch Private Art Tours


 

Danke!

Ich danke besonders den Mitarbeiter der folgenden Bibliotheken:

Ich danke ebenfalls Nico Bos und Marten Hoekstra fuer die Hilfe am Bau dieser home page.


 

Finden sie hier Fehler auf Deutsch - im Stil oder im Rechtschreibung? Also verzeihung! Bitte schreibe mich heute mit Anmerkungen! Email: kalden@xs4all.nl

Besuche Flug über Delft, 1660


 

The moral right of the author has been asserted : I think this actually means that I assert my legal rights to the text and illustrations shown here and elsewhere in this home page.

Erste Deutsche fassung Sommer 1999 ; Letzte update: 30.Maerz, 2011